Moin,
ja, "wenig überzeugend" - kann ich aus Anwendersicht natürlich verstehen.
Hab grad etwas Zeit, deshalb ein paar Worte zum Verständnis wie die "wenig überzeugenden" Auszüge in ALLPLAN zustande kommen (auch für andere "Mitleser"):
- bei zweiachsig gekrümmten Bauwerken (was Brücken aufgrund der Achs- und Gradientenkrümmung eigentlich immer sind) ist JEDE Kurve räumlich gesehen ein Spline
- das betrifft natürlich auch viele Eisenformen - zumindest theoretisch
- ALLPLAN kann leider keine splineförmigen Bewehrungen erzeugen und nähert die deshalb (mehr oder weniger geschickt) als räumliche Polygone an
- Das merkt man an den unsinnigen Auszügen mit denen kein Biegebetrieb auf dieser Welt was anfangen kann.
- ich wüsste jetzt auch nicht wie ich z.B. eine räumliche Überlagerung einer Klothoide (Achse) und einer parabelförmigen Kuppenausrundung (Gradiente) bemassen sollte so dass da im Biegebetrieb ein sinnvolles Eisen vorgebogen werden könnte
- Halbwegs sinnvoll bemaßte Eisen bekomme ich nur bei Formen mit geraden Schenkeln und "echten" Kreisbögen
So, und jetzt kommt der Konstrukteur an die Reihe und stellt sich (hoffentlich) folgende grundsätzliche Fragen:
- habe ich überhaupt den Auftrag ein maßhaltiges 3D- Modell (BIM- Modell) der Bewehrung zu erzeugen?
- Oder gehts "nur" darum möglichst schnell korrekte, praxisnahe und gut lesbare Pläne zu erzeugen? Ist ein Riesenunterschied...
- Kann ich die Geometrie des Modells an Stellen, die KEINEN praktischen Einfluss auf die Bewehrung haben, vereinfachen (z.B. große Krümmungshalbmesser ignorieren)?
- Welche Biegeformen müssen überhaupt bzw. können mit welchem Aufwand vorgebogen werden (abhängig vom Eisendurchmesser, Anlieferung und dem Biegebetrieb)
- Ist "Eisen sparen auf Teufel komm raus" oder "praxisnahe Staffelung der Eisenformen (=wenige Positionen)" wichtiger? Hat Einfluss auf die Bewehrungsführungen.
Ein paar Antworten aus der Praxis:
Falls KEIN BIM beauftragt (BIM- Enthusiasten bitte mal weghören):
- Ich habe schon von Kunden gehört dass sie in dem Fall ein SEHR stark vereinfachtes Modell der Schalung (z.B. ohne Krümmungen) für die Bewehrungserstellung verwenden.
- ist mit ALLPLAN Bridge eine Sache on wenigen Sekunden. Ohne dauerts länger, die Zeit spart man beim Erzeugen von Bewehrung und Schnitten LOCKER wieder ein
- die Kunst liegt darin das Modell an der richtigen Stelle zu vereinfachen OHNE dadurch geometrische Probleme zu erzeugen oder zu übersehen.
- Kollisionskontrollen sind damit in den Grenzen des vereinfachten Modells immer noch möglich, aber natürlich sehr eingeschränkt
- Leute, denkt dran: Bewehrungspläne sind an vielen Stellen schematische Darstellungen!!!
Ähnliches gilt für Eisenformen:
- Häufig kann man statt eines Splines einen (oder mehrere) Kreisbögen verwenden. Auch dickere Eisendurchmesser lassen sich auf der Baustelle ein wenig biegen
- Gestossene Eisen sind oft besser zu verlegen als komplizierte Formen, erzeugen aber größere Mengen. Kann eine Frage der vertraglichen Vereinbarungen ein...
- lfdm- Verlegungen sind manchmal die praxisnähere Lösung (bei geringeren Eisendurchmessern), wird aber kontrovers diskutiert...
Falls ein BIM- konformes Bewehrungsmodell beauftragt wurde:
- NEIN, die Erzeugung eines BIM- Modells macht die Planung NICHT zwangsläufig schneller und billiger (insbesondere dann nicht wenn man dummerweise auch noch zusätzlich Pläne abliefern muss...). Die Vorteile liegen ganz woanders.
- Viele der o.a. "Vereinfachungen sind dann natürlich nicht mehr möglich bzw. sinnvoll.
- Praxisnahe Gestaltung der Biegeformen ist natürlich genauso wichtig. Oft kollidiert dabei allerdings die eingebaute Form mit der Lieferform, was dann zu unter- oder überschrittenen Betondeckungen führen kann (blöd wenn das elektronisch geprüft wird...)
Wie würde ich da rangehen (ich gehe mal von dem aufwändigeren Fall: krumme Brücke MIT BIM- Modell + Pläne aus):
- Modell mit ALLPLAN Bridge modellieren (wenn gekrümmt: alles andere ist unwirtschaftlich)
- "Quick and dirty" die Bewehrungsführung mit den "wenig überzeugenden" Freiformbewehrungen erzeugen und prüfen
- Schnitte an den (für die Bewehrung) typischen Punkten zur Bewehrungsplanung erzeugen
- Die "kritischen (vorzubiegenden)" Eisen aus Kreisbögen und geraden Schenkeln annähern - dann gibts auch vernünftige Auszüge.
- Diese dann schematisiert neu verlegen, die "Quick and dirty"- Eisen löschen
- lfdm- Eisen (falls zulässig), unkritische und gerade Eisen können meist so bleiben
So würde ich das (Stand: Heute) umsetzen.
Vieles von dem was ich hier schreibe ist natürlich sehr stark abhängig von der Geometrie, Bauabläufen und sonstigen Randbedingungen auf die man kaum Einfluss hat.
Da sagt doch tatsächlich einer:
Zu umständlich!
Muss doch einfacher gehen!
Keine Zeit dafür!
Das muss ALLPLAN doch ändern und geschmeidiger programmieren können!
Andere Software verwenden!
Klar, kann man alles diskutieren.
Im Moment isses so wie es ist.
Die gerade in der Infrastrukturplanung auffallenden "unschönen" Einschränkungen in der Freiformbewehrung sind bei ALLPLAN bekannt.
Ich habe auch durchaus das Gefühl dass es da voran geht...
Bis dahin helfen diese Gedanken aus meiner ALLPLAN- Trainer- Praxis vielleicht dem einen oder anderen weiter.
Vielleicht ja auch der ALLPLAN- Entwicklung...
BG
Jens Maneke
AAP Sommerfeld
P.S.:
BIM hin oder her: Gebaut wird immer noch auf der Baustelle!!!
>>> Stell Dir vor, es geht und keiner kriegts hin...